Erzählung über die Online-Rohwoll-Reise nach Island mit Karólína Í Hvammshlíð
Kennt ihr das? Wenn euch etwas so stark beeindruckt hat, könnt ihr nicht weiter in den Tag gehen, bevor ihr es erzählt. So geht es mir jetzt mit Island. Es war ein toller Online-Rohwollworkshop mit Karólína Í Hvammshlíð, der mir neue Welten eröffnete.
Diesen Workshop und diese Welten möchte ich wärmstens empfehlen und ein bisschen davon erzählen
Danke dir, liebe Karolina – für das aufmerksame Angehen aller anfallenden Fragen, für deine liebe Art, für alle Bilder in diesem Artikel!
Verständlicherweise ist nur dieses Bild und das Bild mit den Knäueln von mir. Hier sieht man u. a. wie gut bulgarische Feigenmarmelade zu isländischem Brot passt 🙂
In den Wollkreisen in Deutschland kennen die meisten Spinnerinnen und Filzerinnen Karolina, haben bei ihr Wolle bestellt oder sie auf Island besucht.
Für alle anderen meiner Leser: Sie lebt auf ihrem Hof Hvammshlíð mitten in den Bergen Nordislands in schönster Natur, rau und schön, in ihrem 26 m2 großen Häuschen, mit ihren zwei Hunden, über 50 Islandschafen, die einem sofort ans Herz wachsen, und 3 Pferden. Zusammen mit anderen Bauern setzt sie sich für die Erhaltung der Farbenvielfalt und Ursprünglichkeit dieser Rasse ein. Es ist ein Vergnügen, mit ihr zu kommunizieren – da sie in Deutschland aufgewachsen ist, können wir ganz einfach auf Deutsch miteinander sprechen. So, ganz knapp und herzlich über Karólína Elísabetardóttir! Jetzt zurück zur Reise mit ihr! 🙂
Vor ein paar Tagen setzte ich mich mit Gleichgesinnten, die auch schon immer zu Karolinas Rohwollworkshop nach Island wollten, vor den Computer. Die Zeiten sind jetzt gegen uns. Aber Tatenlosigkeit ist nicht unser Ding.
Mit mehreren Vlies-Stücken aus unterschiedlichen isländischen Schafen, die uns zugesandt wurden,
mit reichlich frisch nach alten isländischen Rezepten gebackenem Proviant, saßen und arbeiteten wir über Stunden glücklich zusammen.
Das dunkle Roggenbrot heißt rúgbrauð, das Rosinenbrot – rúsinukaka und das Haferflockenbrot – haframjölsbrauð, interessant und lecker. Mein Liebling ist das Roggenbrot. Besonders spannend bei ihm fand ich, dass man es bei einer sehr niedrigen Temperatur weit über 10 Stunden backt. Karolina erzählte uns, dass da es auf Island wenig Holz gibt, in der Vergangenheit nicht leicht war hohe Backtemperaturen zu halten. Man bediente sich dessen, was die Natur in Island einem reichlich in der nächsten Umgebung gibt – heiße Quellen. Sie halten teils eine Temperatur von 70-90 Grad und damit kann man gemütlich auf ihnen kochen und garen.
Das langsam gebackene Brot schmeckt mir unvergleichbar – nach Karamell und Kino 🙂
Wir konnten die Schafe über Videoverbindung besuchen und das war lustig. Die Schafe wussten erst mal nichts mit uns anzufangen. Danach aber auch nicht :), trotzdem starrten wir uns einander neugierig aus dem Bildschirmen an. Und ich muss zugeben – ich war schon etwas froh, dass Karolina draußen bei – 17 Grad mit dem Laptop ist, und ich in der warmen Werkstatt, isländischen Kaffee mit viel Milch schlürfend 🙂 🙂
Die Überlieferungen aus alten Zeiten, wie sich unsere Vorfahren auf der ganzen Welt mit all den kargen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen zu helfen und zu überleben wussten und dabei alles nutzten, was Natur und Tier ihnen gab, begeistern mich. Jetzt kommen ein paar Beispiele aus meiner Liste als Islandbegeisterte 🙂
Die alten Isländer wussten, dass sich ihre handgesponnene Garne sehr gut auf solchen Beinknochen aufwickeln lassen. Davon kommt auch ihr Name – Fadenbein. Da es in Island nicht viel Holz gibt, nutzten sie die Knochen hierfür. Traditionell wurde alles vom geschlachteten Schaf verwertet – das allermeiste zum Essen (in Notzeiten aß man auch die Knochen – denn sie werden weich, wenn man sie in saure Molke lange einlegt), die Felle und Knochen für Kleidung und Werkzeuge. Dafür muss man die Knochen auskochen. Sie fanden auch welche in den Bergen, von verunglückten Schafen, aber auch Füchsen. Dann war das Auskochen nicht nötig.
Karolina zeigte uns auch an die 80 Jahre alte und noch funktionstüchtige Fischerhandschuhe mit zwei Daumen! Genial! Diese Handschuhe schützten den Fischer zuverlässig vor Kälte und Nässe in Berührung mit dem eisigen Wasser.
Und sollte ein Daumen doch beim Fischen löchrig werden, drehte der Fischer einfach den Handschuh, versteckte die „verletzte“ Strickstelle ins Handschuhinnere, holte den zweiten eingestrickten Daumen heraus und zog ihn an. So konnte er mit warmen geschützten Fingern weiterarbeiten. Denn wer hat schon Zeit im Boot Löcher zu stopfen! 🙂
Diese praktische Menschen, die Isländer! Spann man früher gröbere Deckhaarwolle am Rad, bediente man sich mit Fett aus dem Kochtopf. Die kleinen Tröpfchen, die beim Auskochen vom Fleisch oben auf der Brühe schwammen, schmierten die Finger und die Wolle flutschte nur so. Das Fett beim Deckhaarspinnen diente nämlich dazu, dass die Haare besser haften – daher konnte man dann auch sehr dünne Fäden herstellen.
Und eine letzte, für mich sehr schöne Geschichte zum Schluss – über die alles wissenden Schafe, die Anführerschafe.
Karolina erzählte uns über die Stürme in Island, die sich binnen Minuten zusammenbrauen können. Draußen bei so einem Sturm ist man der Natur ausgeliefert, da man manchmal höchstens 2-3 Meter vor sich sehen kann und vollkommen die Orientierung verliert.
Es entstehen schnell Schneewehen, die die Schluchten abdecken und im Nu unsichtbar machen. Schafe und Mensch können leicht abstürzen. Dann kommen die „Anführerschafe“ zur Hilfe, es ist legendär was sie leisten können. Anführerschafe werden speziell dafür selektiert das Wetter zu erahnen, den Weg in schwersten Bedingungen zu finden und die anderen Schafe aus der Gefahr zu führen.
Ein Anführerschaf passt seine Geschwindigkeit an, wartet auf die Anderen, damit alle Schafe sicher mitkommen. Es ist unentbehrlich für seinen Menschen. In Island werden die Geschichten solcher Schafe überliefert und weitererzählt, weil sie so unglaublich wie wahr sind.
Mit Karolinas Bild der Abendstimmung nah bei ihrem Hof endet meine Erzählreise nach Island. Ich hoffe, ich konnte euch auch begeistern und spüren lassen, wie glücklich mich dieses Rohwoll-Abenteuer mit Karolina gemacht hat!