Ich danke dir, Schule
Ich habe schon immer Ehrfurcht vor Schulen und Büchern gehabt. Ich erinnere mich klar daran, wie ich in der sechsten Klasse zum ersten und letzten Mal in der Schule eine Strafe bekam. Ich verspätete mich nämlich für den Unterricht, während ich versuchte Lehrbücher für Geografie und Geschichte zu retten. Diese sollten weggeworfen werden und ich holte sie heimlich aus einem Bücherstapel im Schulhof heraus. Damals nutzten die Schüler dreier darauffolgenden Jahrgänge die gleichen Bücher. Am Ende des Schuljahres wechselten die Bücher einfach den Besitzer. Wir mussten unseren Namen darin aufschreiben, damit man wusste, wer sie eventuell beschädigt oder bekritzelt hat. Die Bücher waren vollgekritzelt, mit unterstrichenen Reihen und leicht zerrupft. Dies war aber wert neben der Wand eine ganze Unterrichtsstunde lang gerade zu stehen. Die Erzählungen in den Büchern über die tropischen Wälder, über Brasilien und die Tabelle mit der Chronik der bulgarischen Könige lohnten sich. Ich würde es wieder tun 🙂 🙂
So, jetzt bin ich vom Thema abgekommen. Meine Gedanken gelten heute einer anderen Schule, dieser im Bergdorf Kosovo, die im 1882 erbaut worden ist. Mit dem kurzen Wiedergeben eines Artikels von Maria Stoeva Mayanyar, den man im kleinen ethnografischen Museum im Dorf sehen kann
möchte ich euch auf einen Spaziergang zu dem heute stillen, aber immer noch so bezaubernden Schulhof mitnehmen.
Maria war selber Schülerin da und erinnert sich an den alten Opa Georgi Mirchov Bakalski, der damals sein Grundstück gespendet hat damit darauf die Schule gebaut wird. Er saß wohl in seinen alten Jahren häufig im Schulhof, bewunderte immer wieder aufs Neue das Gebäude, in Erinnerungen schwelgend. Er erinnerte sich daran wie die Kinder spielten und um ihn lärmten, wie er selbst nie zur Schule konnte aber gierig von den Lehrern und Kindern jeden Tag doch was neues lernen konnte. „Bald gehe ich auch von dieser Welt – sagte er – aber sie, die Schule wird bleiben.“
Opa Georgi erzählte, dass die Schule viele kluge Köpfe dem Land gegeben hat, aus verschiedenen angesehenen Berufen. Und alle seien so fleißig gewesen, das war das Wichtigste. Und egal wo sie das Leben hingeführt hatte, kamen sie immer wieder zurück zu ihrem Heimatsdorf.
Das Mädchen Maria Stoeva erinnert sich, dass sie an ihrem ersten Schultag ihre Bücher in einem gewebten Beutel mit sich trug. Der Federfüller, ragend durch die Löcher der Gewebe, verletzte ihr Bein mit seiner Spitze und hinterließ ihr eine Narbe fürs Leben.
Das machte ihre Mutter traurig und sie kaufte ihr und ihrem Bruder in der großen Stadt Schulranzen – die ersten im Dorf.
Viele haben dazu beigetragen, dass die Schule erbaut wurde und dass sie auf bulgarischer Sprache und regelmäßig die Kinder unterrichtete. Die dankbaren Nachfolgen haben ihre Namen in einer Nische an der Frontseite der Schule in den Stein gemeißelt.
Die Lehrer kamen aus den Bergdörfern Hvoyna, Dedovo, Pavelsko, Malevo. Zwei der Lehrer haben ganze 23 Jahre lang in der Schule unterrichtet.
Am Ende ihres Artikels erzählt Maria wie sie die alte Schule Jahre nach ihrer Schließung wieder besucht. Sie kann es sich nicht verkneifen und öffnet die Tür ihres Klassenzimmers. Der bekannte Schulgeruch empfängt sie. Da ist die ganze Klasse – ihr Jahrgang. Da ist auch ihre erste Grundschullehrerin! Ihre Hand greift nach der Kreide und schreibt auf die schwarze Tafel: “ Ich danke dir, meine Heimatschule!“
Maria Stoeva Mayanyar
Fotos: Stefan und Svetlana Kamps